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Beatrice Frasl: „entromantisiert euch“ – Freundschaft statt Paarbeziehung

Beatrice Frasl: „entromantisiert euch“ – Freundschaft statt Paarbeziehung

Frau Frasl, in Ihrem Buch raten Sie Frauen generell davon ab, eine heterosexuelle Paarbeziehung einzugehen. Meinen Sie das ernst?

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Im gegenwärtigen System scheint es mir für Frauen tatsächlich nicht ratsam, eine solche Partnerschaft einzugehen. Vor allem kritisiere ich aber die Zentrierung solcher Beziehungen: Wir konzentrieren uns in der heutigen Gesellschaft viel zu sehr auf die romantische Liebe und investieren dadurch weniger Energie und Fürsorge in andere wichtige Beziehungen, wie Freundschaften.

Sie beschreiben auch, wie Männer von heterosexuellen Beziehungen profitieren, während für Frauen viele Nachteile entstehen?

Das liegt daran, dass solche Beziehungen in einem patriarchalen System vor allem an den Bedürfnissen von Männern ausgerichtet sind. Frauen übernehmen die meiste Arbeit im gemeinsamen Haushalt und beim Großziehen von Kindern. Sie finden sich in der Rolle wieder, dass sie die ganze Familie managen. Es sind auch vor allem Frauen, die für die Beziehungsarbeit zuständig gemacht werden. Ihre eigenen Bedürfnisse bleiben dabei auf der Strecke. Studien zeigen, dass unverheiratete Frauen glücklicher und gesünder sind als verheiratete – bei Männern ist es umgekehrt.

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Beatrice Frasl ist Kulturwissenschaftlerin und Geschlechterforscherin und betreibt den Podcast "Große Töchter". In ihrem neuen Buch "Entromantisiert Euch" geht es um die Nachteile, die eine heterosexuelle Paarbeziehung für Frauen oft mit sich bringt.

Beatrice Frasl ist Kulturwissenschaftlerin und Geschlechterforscherin und betreibt den Podcast "Große Töchter". In ihrem neuen Buch "Entromantisiert Euch" geht es um die Nachteile, die eine heterosexuelle Paarbeziehung für Frauen oft mit sich bringt.

Quelle: Michael Wuermer

Auch beim Sex werden nach wie vor eher die Männer befriedigt. Sie zitieren da eine Studie…

Bei heterosexuellem Sex haben 95 Prozent aller Männer regelmäßig Orgasmen, aber nur 65 Prozent aller Frauen. An der „Orgasmusfähigkeit“ kann das nicht liegen – denn beim lesbischen Sex haben 85 Prozent aller Frauen regelmäßig einen Orgasmus.

An einigen Stellen in Ihrem Buch pauschalisieren Sie sehr stark. Es sind doch nicht alle Männer und alle Beziehungen gleich?

Es gibt natürlich Ausnahmen. Auch ich kenne heterosexuelle Paarbeziehungen, bei denen es gut läuft. Das sind aber, wie gesagt, Ausnahmefälle. Aber auch wenn sich beide sehr bemühen, finden sie sich dennoch immer noch in einem patriarchalen Bedingungsgefüge wieder, das Frauen Männern systematisch unterordnet.

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Hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht schon viel gebessert? Vielleicht dauert es einfach noch etwas, bis wir in heterosexuellen Beziehungen vollständige Gleichberechtigung leben.

Wenn es hier eine Entwicklung gibt, dann findet sie so langsam statt, dass sie fast nicht bemerkbar ist. Zahlen aus Österreich zeigen, dass zwar das Ausmaß der geleisteten unbezahlten Arbeit im Haushalt abgenommen hat. Die ungleiche Verteilung zwischen Männern und Frauen hat sich aber kaum verändert.

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Ich gehöre zu einer der ersten Generationen von Frauen, die es sich erlauben kann, ohne Mann zu leben: weil sie finanziell unabhängig ist. Und wir können feststellen, dass sich viele dazu entschließen. Ich sehe es als eine Form von Arbeitsstreik, der notwendig ist.

In Südkorea ist aus Protest gegen die Ungleichbehandlung das 4B-Movement entstanden: Frauen verzichten dabei bewusst auf Ehe, Dating und Sex mit Männern, sowie auf Kinder. Auch unter dem Hashtag „Boysober” berichten Frauen im Netz über ihre Entscheidung, künftig auf Beziehungen mit Männern zu verzichten.

Es ist nicht nur ein Trend auf Social-Media, sondern eine echte kulturelle Entwicklung. Man sieht es auch an den Zahlen, dass immer mehr Frauen alleine leben, auch wenn sie vielleicht in romantischen Beziehungen mit Männern sind. Weil Frauen gemerkt haben, dass sie glücklicher sind, wenn sie sich auf andere Dinge konzentrieren.

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Dazu kommt die hohe Scheidungsrate. Die wird oft kritisch gesehen, dabei ist es eigentlich eine gute Sache: Die meisten Scheidungen werden nämlich von Frauen eingereicht. Und zwar deshalb, weil sie finanziell nicht mehr so abhängig sind und es sich endlich erlauben können, sich aus einer belastenden oder – bei einem gewalttätigen Partner – sogar gefährlichen Beziehung zu lösen.

Wenn es für sie so viele Nachteile mit sich bringt, warum laufen dann trotzdem viele Frauen weiter dem Ideal der romantischen Liebe hinterher?

Wir werden heute von klein auf so sozialisiert, dass wir die Liebe zu wollen und um jeden Preis zu erhalten haben. Das ist bei Frauen im wesentlich stärkeren Ausmaß so als bei Männern. Von Filmen, über Literatur bis zu Beziehungsratgebern richten sich ganze kulturindustrielle Sektoren an Frauen, die sie darauf sozialisieren, sich auf romantische Liebe auszurichten.

Dabei war die Idee der romantischen Liebe bis Ende des 19. Jahrhunderts gar nicht vorherrschend. Vorher gab es Vernunftehen, es wurde geheiratet, um sich fortzupflanzen. Oder in Adelskreisen zum Machterhalt einer bestimmten Familie.

Das Buch "Entromantisiert euch! ein Weckruf" von Beatrice Frasl ist am 22.04.2025 im Haymon-Verlag erschienen (280 Seiten, 24,90 Euro).

Das Buch "Entromantisiert euch! ein Weckruf" von Beatrice Frasl ist am 22.04.2025 im Haymon-Verlag erschienen (280 Seiten, 24,90 Euro).

Quelle: Haymon Verlag

Sie schildern auch, welchen Einfluss die Industrialisierung auf die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern hatte?

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Seit der Industrialisierung hat sich die Trennung zwischen privater und öffentlicher Sphäre entwickelt. Lohnarbeit fand nun auswärts statt, und die Kinder konnten nicht mehr nebenbei bei der Feldarbeit betreut werden.

Und wenn die Männer in die Fabrik gingen, musste zu Hause die ganze andere, unbezahlte Arbeit von den Frauen gemacht werden. Als Argument wurde benutzt, sie würden das aus Liebe gerne tun. Vorgesehen ist nicht, dass sie etwas dafür zurückbekommen. Zu geben soll für sie die Erfüllung und Lohn genug sein.

eine Mischung aus Suchterkrankung und Zwangsstörung

Frauen, die heute eine romantische Liebesbeziehung mit Männern eingehen, tun das meist nicht aus rationalen Gründen, sondern aus einem Gefühl heraus. Dem sprichwörtlich schönsten Gefühl der Welt, dem Verliebtsein. Auch damit gehen Sie in Ihrem Buch hart ins Gericht.

Es stimmt, Verliebtheit fühlt sich schön an – zumindest zu Beginn. Nüchtern betrachtet ist es aber ein disruptiver Zustand: eine Mischung aus Suchterkrankung und Zwangsstörung. Das sage nicht ich, das sagen HirnforscherInnen! Nur deshalb befinden wir uns sofort im Stresszustand, wenn „er” nicht sofort zurückschreibt. Wir sind für eine gewisse Zeit nicht im Vollbesitz unserer kognitiven Fähigkeiten. Und wir sehen alles nur noch durch die metaphorische rosarote Brille, die auch auf meinem Buchcover abgebildet ist.

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Auch wenn Verliebtsein unvernünftig ist: Gehört es nicht zum Leben dazu, auch mal unvernünftig sein zu dürfen? Wir verbieten uns ja sonst auch nicht alles, was Spaß macht.

Zu sagen, dass wir uns nicht mehr verlieben sollen, wäre unrealistisch. Die Frage ist aber, inwiefern dieses Gefühl geeignet ist, um einen Partner zu wählen. Aus Verliebtheit binden wir uns oft an eine Person, von der wir gar nicht wirklich sagen können, wer sie eigentlich ist.

Dabei ist es ein Zustand, in dem wir keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen sollten. Und es ist wichtig, dass wir in diesem Zustand andere Bindungen nicht vernachlässigen, auch um weiter eine Außenperspektive auf das zu haben, was wir tun.

Wir sollen uns weniger auf die Romantik und mehr auf Freundschaften und die Familie konzentrieren, raten Sie. Aber heterosexuelle Paarbeziehungen sind doch die Basis für eine Familie?

Nicht notwendigerweise.

Mein großes Plädoyer lautet hierbei, dass wir nicht nur unsere biologische Familie als Familie begreifen sollten, sondern auch andere nahestehende Menschen. Und wenn wir nun wissen, dass die meisten Paarbeziehungen – egal ob hetero- oder homosexuelle – nicht ewig halten, sind sie dann wirklich der beste Ort, um Kinder aufzuziehen? Oder geht das nicht zum Beispiel auch mit der besten Freundin, die mich schon mein Leben lang begleitet? Es gibt ja heute viele Möglichkeiten. Die Frage, wie wir in Zukunft Familie gestalten wollen, ist aber ein Prozess, an dem wir uns alle beteiligen sollten. Deshalb bleibe ich da in meinem Buch bewusst etwas ungenau.

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In jedem Fall brauchen wir Menschen Gemeinschaft, wir brauchen Netzwerke und sollten nicht alleine zu Hause sitzen, sondern tatsächlich weniger vereinzelt sein, als wir das aktuell sind.

Wie reagieren eigentlich Männer auf Ihr Buch?

Ich habe aufgehört, für Männer zu schreiben. Denn wenn es um feministische Themen geht, habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Männer sich nicht dafür interessieren.

Und: egal ob ich es nett oder hart formuliere – die Reaktion einiger Männer ist immer die gleiche. Sie reagieren defensiv oder mit Beleidigungen und Beschimpfungen auf einer persönlichen Ebene, statt sich damit auseinanderzusetzen, was ich sage. Die haben natürlich nicht mein Buch gelesen, sondern nur irgendwo eine Überschrift. Es gibt nur ganz, ganz wenige Männer, die das Buch wirklich lesen. Das sind dann aber auch diejenigen sehr wenigen, die für feministische Themen offen sind und die dann auch verstehen, worum es mir geht.

Auch für Männer wäre es besser, sich weniger auf die Paarbeziehung zu fokussieren, sagen Sie?

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Männer haben durch ihre Sozialisierung in der Regel nicht gelernt, wirklich enge, platonische Beziehungen aufzubauen. Dadurch werden sie in hohem Maße abhängig von ihren romantischen Partnerinnen. Die Partnerin ist die wichtigste Ansprechperson in emotionalen Fragen, während es bei Frauen meist die beste Freundin ist. Gleichzeitig wird Männern ein Autonomiestreben anerzogen, das zu ihrer Abhängigkeit von einer Partnerin im Widerspruch steht. Daraus entsteht oft ein Konflikt, in dem Sinn: Ich will dich nicht brauchen, aber ich tue es. Was zur Frustration oder sogar Aggression führen kann.

Trotzdem hält sich die Klischeevorstellung, es seien vor allem Frauen, die Männer „brauchen”, statt umgekehrt. Und wenn sie nicht heiraten, müssen sie alleine sterben.

Das Klischee der alleinstehenden, im Alter einsamen Frau ist unwahr. Frauen die Single sind, haben meist ein Netzwerk an engen Freunden, das sie besser pflegen können, wenn sie nicht mit einem Mann zusammen sind. Zudem leben Frauen meist länger als Männer und haben oft am Ende ihres Lebens Jahre oder Jahrzehnte ohne ihren Partner. Frauen, die sich auf eine romantische Paarbeziehung konzentrieren, haben daher tatsächlich das größere Risiko, alleine zu sterben. Bei schwerer Krankheit werden Frauen übrigens sehr viel häufiger von ihren Männern verlassen als Männer von ihren Frauen.

Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie mit Ihrem Buch vermitteln wollen?

Ich glaube, dass wir tatsächlich mehr Liebe in unser Leben holen, wenn wir diese eine große Idee der romantischen Liebe beiseiteschieben. Und wenn wir stattdessen andere Formen von Liebe und Beziehung stärker pflegen, die oft beständiger und tragender sind und dadurch mehr Lebensglück versprechen.

rnd

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